Bom dia, tudo bem?
Also "Guten Tag, alles gut?", sind wahrscheinlich die vier Wörter, die ich mittlerweile im Schlaf aufsagen kann, denn seit sechs Wochen bin ich jetzt schon in Brasilien, und drei liegen noch vor mir. Das hier ist definitiv der spontanste Auslandsaufenthalt, den ich je hatte, denn erst Anfang Januar stellte sich heraus, dass ich ein paar Wochen später mit gepackten Koffern am Frankfurter Flughafen in einen Flieger Richtung Sao Paulo sitzen würde.
Was genau ich hier eigentlich mache und was ich bis jetzt so erlebt habe, erzähle ich euch hier.
Nach einem ruhigen Start ins neue Jahr stellte ich, zurück in Greifswald, fest, dass ich keinerlei Pläne für meine vorlesungsfreie Zeit hatte. Nachdem sich jedoch schon einige Optionen wieder in Luft aufgelöst hatten, hielt sich meine Planungsfreude in Grenzen. Wenige Stunden nachdem ich für eine bessere Idee gebetet hatte, erfuhr ich davon, dass eine befreundete Missionarsfamilie nach einer Kurzzeitlerin sucht- für genau meinen "freien" Zeitraum.
Jetzt sitze ich also in der Bibliotheca des Instituto Biblico Peniel in der Nähe Jacutingas, gut 150km nördlich von Sao Paulo. Das Gelände hier umfasst viele einzelne Gebäude, wie die Schule, das Refectorio (Küche & Speisesaal), die Schlafgebäude und einzelne Wohnhäuser. Außerdem gibt es Sportplätze, eine Werkstatt, einen Mangobaum, Bananenbäume und einen kleinen Gemüsegarten. Umsäumt von Palmen und umgeben von mit Mais bebauten Hügeln klingt das Ganze schon fast zu idyllisch um wahr zu sein- wären da nicht die Motorengeräusche der angrenzenden Schnellstraße oder die Tatsache, dass es natürlich auch Herausforderungen birgt mit über 70 Menschen auf einem relativ abgelegenen Gelände zu leben. Mein Zimmer teile ich mit 2 weiteren Bibelschülerinnen.
Mein Tagesablauf (unter der Woche)
ab 6:45 Uhr: Aufstehen, Anziehen, gemeinsames Frühstück mit den Bibelschülern
7:45 Uhr: Arbeitsstart bei der Familie (Fernschule mit 2 Kindern, Aufgaben im Haushalt,...)
13-14 Uhr: Mittagspause
nachmittags: Schule beenden/ Putzen/ Kinderbetreuung
16:30/ 17 Uhr: Feierabend
18 Uhr Abendessen mit Bibelschülern
Meine Aufgabenbereiche hier als Freiwillige ist einerseits der Fernschulunterricht als Lernhilfe eines 1.-Klässlers und einer 3.-Klässlerin. Andererseits unterstütze ich auch im Haushalt, gewinne Einblick in das Leben einer Missionarsfamilie und den Alltag der brasilianischen Bibelschüler hier. Die Fernschule der Kinder ist in die Fächer Deutsch, Mathe, Sachkunde und Englisch aufgeteilt: Pro Fach gibt es jeweils einen Ordner, in denen die einzelnen Stunden mit den Einstiegen und Aufgaben aufgeführt sind. Außerdem gibt es eine Materialbox pro Fach, welche dann Arbeitshefte, Anschauungs- und Bastelmaterialien beinhaltet. In regelmäßigen Abständen müssen Tests oder Audioaufnahmen eingeschickt werden, die dann von einer Begleitlehrkaft in Deutschland korrigiert werden. An sich sind die Anweisungen in den Materialien sehr verständlich, aber natürlich unterscheidet sich das System Fernschule sehr von dem, was ich aus meiner Arbeit an einer deutschen Grundschule kenne. Schule hier ist sehr viel individueller und findet mit nur einem Kind pro "Klasse" statt, wodurch die Dynamik und Struktur des Schulalltags sich weitgehend von einer regulären Schule unterscheidet. Die Kinder erleben zwar weniger Leistungs- oder Zeitdruck, aber natürlich fallen auch Aspekte wie eine Klassengemeinschaft, gemeinsames Lernen oder ein Ortswechsel zwischen Schule und Zuhause weg.
Die Missionarsfamilie, für die ich hier bin, lebt normalerweise auf einer Missionsstation im Amazonasgebiet (Porto Velho). Sie sind Deutsche und besuchen momentan hier das Instituto Biblico, um ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen. Das gemeinsame Anliegen der Missionsstation, der Bibelschule hier und der Organisation, mit der ich unterwegs bin (DIPM) ist es, indigene Stämme hier in Brasilien mit dem christlichen Glauben und Bildungsangeboten zu erreichen.
Es ist sehr inspirierend die einzelnen Geschichten von Missionaren zu hören, die ihren eigenen Komfort aufgaben um jahrelang in einer Siedlung zu leben, von den Einheimischen zu hören und von Jesus zu erzählen. Ich glaube, die negative Assoziation, die mit dem Wort "Mission" in Deutschland (Europa?) oft vorherrscht wird hier überschrieben von Menschen, die losgelöst von irgendeinem Zwang einfach erlebt haben, wie Indigene ihnen mit Dankbarkeit, Neugier und einer wirklichen Sehnsucht nach Gott begegnen.
In meiner Freizeit musste ich anfangs noch eine Hausarbeit beenden, was angesichts des hier oft launischen WLANs und fehlender Ruhe herausfordernd war. Auf der anderen Seite habe ich durch die vielen Menschen hier auch viele kleine Abenteuer erlebt, da hier immer etwas los ist: Ich war nachts Eis essen, hab Mais geerntet in einem Feld mit Schlangen, war bei einem Auftritt der Chorgruppe dabei und durfte außer einem Tukan noch riesige Schmetterlinge bestaunen.
Über die letzten Wochen hinweg habe ich so viel erlebt, hatte so viele Gedankengänge, die ich teils noch sortieren muss. Aber ich glaube, das mag ich an solchen Zeiten- sie rütteln einen wach, fordern heraus, lassen die tollsten unerwarteten Geschichten passieren, machen demütig, dankbar und begeistert über alles, was man das erste mal erlebt.
Ich erzähle bald noch mehr, bis dahin:)
Alles Liebe,
Marie